VALHAL – von Freud und Leid des Wikingerlebens

Schon mal nach einer ausgelassenen Feier mit brummendem Schädel aufgewacht, sich verwundert umgeschaut und diagnostiziert: Filmriss total? Wer zu solch Extremerlebnissen neigt, kann sich vielleicht in die Rolle der Helden dieses historischen Zivilisations-Brettspiels hineinversetzen. Alle anderen müssen der Phantasie ihren Lauf lassen, denn das Game VALHAL handelt, wie der Name unschwer vermuten lässt, von Wikingern. Richtigen. In  VALHAL  geht es um das realistische Dasein als Wikinger, wobei auch religiöse Vorstellungen der Nordmänner eine bedeutende Rolle spielen. Aber Ragnarök hat noch Zeit. Vorerst geht es darum, ein echter Wikinger zu sein, der sich nach seinem Tod mit dem Schwert in der Hand ruhmreich in die Reihe der Met trinkenden Helden Walhalls einreiht. Das ist das hehre und einzige Ziel jedes echten Wikingerdaseins! Nur dass die Kombination von reichlich Met und echter Vorfreude auf das heldische Nachleben manchmal zu unvorhergesehenen Komplikationen führt…

Die Wikinger von Fjörnheim, einer fiktiven Insel im hohen Norden, wachen eines unheilvollen Morgens mit besagtem Brummschädel, Rest-Met im Blut und erheblichen Gedächtnislücken bezüglich der Details des vergangenen Abends auf und müssen feststellen, dass sie offenbar „versehentlich“ für ihr Lagerfeuerchen einen heiligen Baum umgeholzt haben. Die eigentlichen Eigner, die Götter Asgards, sind, sagen wir einmal: ein wenig verstimmt. Als die Sicht der Zecher sich langsam klärt, sehen sie sich Rattatöskr, dem Götterboten, gegenüber:  Kurzerhand wird den noch immer verkaterten Nordmännern jede Zugangsberechtigung zur Valhal in Asgard entzogen. Schlimmer kann es einen Wikinger nicht treffen-!

Das Thema, kurz gefasst:

In diesem Zivilisationsbauer  – bis ins letzte Detail historisch korrekt interpretiert –  welcher zu Beginn der Wikinger-Ära spielt,  schlüpft man in die verantwortungsvollen Rollen der Jarls von  Fjörnheim. Unter der Leitung ihres jeweiligen Jarls müssen die Nordmänner durch Eifer, gute Planung und Ausstattung ihrer Dörfer und vor allem durch heldenhafte Taten – sprich erfolg-/beutereiche Vikingfahrten – die Gunst der Götter allmählich zurück gewinnen, damit sie nach ihrem ruhmreichen Ableben doch wieder nach Asgard und die Valhal dürfen.

Ein paar grundlegende Daten:

  • Herausgeber:  Tetrahedron-Games 2018 (Copyright 2017)
  • Designer: Martin Otzmann und Mario Arthur
  • Artwork: Nele Diel
  • Spielerzahl: 2 – 4
  • Alter: 10+
  • Spieldauer: 90 – 120 Minuten
  • Setup-Time: ca. 12 Minuten
  • Schachtelformat:  quadratische Box (23,5 x 23,5 x 6,5 cm)

Eine riesige Menge an Spiel-Zeug in der Schachtel:

  •  1 Rundenmarker, der in der Mitte des zentralen Spielbretts („Das Festland“) die jeweilig aktuelle Jahreszeit anzeigt; die Box enthält sogar noch 3 weitere Rundenmarker als Ersatz
  • 4 Anzeigen für die Gunst der Götter (1 pro Spieler)
  • 4 Rabenkopf-Token in den Spielerfarben, welche auf den Anzeigern den Fortschritt in der Gunst der Götter anzeigen (1 pro Spieler)
  • 7 Erfolgstoken (die einem Boni sichern, wenn man vor allen anderen bestimmte Zielvorgaben erreicht hat)
  • 8 Merkhilfe-Token (mit den Seiten „Frühling & Gesperrt“ und “Sommer & Winter“)
  • 16 Nahrungstoken
  • 16 Bautoken:   8 Holztoken
      8 Eisentoken
  • 80 Münzen
  • 5 Spielfelder:  4 Spielfelder mit dem jeweiligen Wikinger-Dorf des Spielers, auf dem man baut, Krieger ausbildet und seine Ressourcen verwaltet)
  • 1 zentrales Spielbrett, „Das Festland“, auf welches die Zielorte der Beutezüge ausgelegt werden
  • 72 Einheitskarten: 28 Einheiten Nordische Krieger  
      20 Einheiten Nordische Veteranen (die Elite-Krieger) und
      24 Langboote (die berühmten Drachenschiffe der Wikinger)
  • 16 Gebäudekarten: 4 Trockenkammern (bringen Vorteile beim Schiffsbau)   4 Schmieden (bringen Vorteile beim Ausbilden von Kriegern und sind Bedingung für die Ausbildung zu Veteranen)
    4 Vorratslager (optimieren die Nahrungsmittelversorgung im Winter)
    4 Opferstätten (verschaffen mehr „Wohlwollen der Götter“-Karten)
  • 24 Städtekarten (von unbefestigten kleinen Dörfern bis zu stark befestigten Städten mit Entsatztruppen)
  • 149 Spielkarten: 50 Ereigniskarten
      30 Wohlwollen der Götter Karten
      30 Zorn der Götter Karten
      15 Kleine Beutekarten
      10 Mittlere Beutekarten
      10 Große Beutekarten
  • 4 Kampftableaus
  • 20 Marker (verschiedenfarbige kleine Holzwürfel
  • 4 rote D6-Würfel
  • 20 weiße Spezial-Würfel (mit Werten von 1 bis 3, wobei jede Ziffer doppelt vorhanden ist)

Hört sich nach eine Unmenge Material an. Ist es auch. Man fragt sich:  Wie es möglich, so viel für einen so günstigen Preis zu bekommen. Es ist nicht nur die Menge, die verblüfft. Das Artwork ist ganz ausgezeichnet und die Qualität des Spielmaterials gut. Alle Komponenten sind leicht zu handhaben, übersichtlich und solide gestaltet.  Wir haben für solch einen günstigen Preis – und mehr! – schon schlappe Produkte mit einem Bruchteil an Komponenten wie solchen gesehen. Es ist verblüffend und sehr erfreulich, wieviel Spiel man dagegen bei VALHAL erhält.

Laut eigenen Aussagen sind die Macher selbst aber noch nicht zufrieden mit der Qualität aller Teile, besonders der Qualität einiger Karten, obwohl wir und all unsere Mitspieler mit den Komponenten in der vorliegenden Form zufrieden waren. Wer also plant, sich das Spiel in Zukunft zuzulegen, darf sich freuen: In der kommenden Neuauflage des Spiels mit anderen Produktionsbetrieben (bald auf Kickstarter) wird alles sogar noch besser!

Was hier  besonders beeindruckt, ist die Sorgfalt, mit der das Thema in Optik und Spielmechanik verwandelt wurde.  Man sieht nichts, das nicht kulturhistorisch korrekt recherchiert und umgesetzt wäre: keine, wirklich keine Anachronismen, Hörnerhelme oder anderer Unsinn in Sichtweite! Die Macher haben nicht einfach ein populäres Thema über einen Spielmechanismus gestülpt, nein, der Mechanismus erwächst organisch aus den Realitäten des Themas. Die nordische Kultur jener Ära wird ernst genommen. Selbst die gesamte Farbgebung des Spiels und seiner Komponenten bewegt sich im Rahmen ausschließlich solcher Pigmente, welche zur Zeit der Wikinger auch bereits zur Verfügung gestanden hätten. Wow! Das nennt man gründlich! Wer schrille Fantasy-Wikinger wie aus einschlägigen Comic-Strips erwartet, wird keine finden.  Er wird sie aber auch nicht vermissen! Valhal ist ein neues, frisches Spielerlebnis mit einer guten Mischung aus Regeln, Strategie und Glück  – ganz wie das richtige Leben. Wer sich dagegen ernsthaft für die „echten“ Nordmänner interessiert, kann mit VALHAL spielend einen Teil ihrer Lebenswelt  genießen. Wer weder das eine noch das andere erwartet, sondern „nur“ ein interessantes Spiel, das auch noch gut aussieht, wird ebenfalls nicht enttäuscht.

Die spielbaren Dörfer:

Es gibt vier gleiche Dörfer. Dies ist für jeden Spieler der eigentliche Spielplan, auf dem sich das Schicksal seiner Leute entscheidet; die dort erwirtschafteten Siegpunkte werden auf der Anzeige für die Gunst der Götter gezählt. Im Zentrum des Dorfes befindet sich der Jarlshof;  er dient als Ablage für Ressourcen. Dort werden (noch) nicht eingesetzte Münzen, Nahrungstoken und Baumittel (Holz, Erz) gesammelt. Für Nahrung gibt es eine Begrenzung: Man darf nicht mehr als vier Nahrungstoken besitzen. Schließlich gab es vor Erfindung von Dosenfutter und Gefrierschränken auch keine unbegrenzte Nahrung das ganze Jahr über. Man merkt: Hier wird schon mal was knapp…

Es gibt einen Schiffsbauplatz zum Bauen von Drachenschiffen, einen Ausbildungsplatz an dem man aus Bauern Seeleute als Besatzung machen kann, und einen Runenstein, an dem Gold oder Ruhm geopfert werden kann, um eine Gunst der Götter zu erlangen. Doch Vorsicht – Götter fühlen sich nicht an Regeln gebunden. Die erhaltene Gunst muss nicht zwangsläufig zum Vorteil gereichen.

Jedes Dorf hat zudem Bauplätze für Zusatzgebäude: jeweils eine Trockenkammer, eine Vorratskammer und eine Schmiede sowie eine bereits vorhandene Rüstkammer, für deren Betrieb man aber zunächst eine Schmiede benötigt, denn nur dann kann dort ein Schmied aus einfachen Seeleuten gut ausgestattete Krieger machen. Klingt logisch.

Es geht darum, möglichst rasch Gebäude fertigzustellen. Hierzu muss man Gold auf den Bauplatz legen und Nahrung für das Dorf bereitstellen. (Arbeiter müssen essen.) Ressourcen ermöglichen den Bau auch ohne Nahrungsmittel oder beschleunigen ihn. Die  fertigen Gebäude ermöglichen es dann, mit weniger Aufwand Schiffe zu bauen, Leute auszubilden oder auszurüsten oder (durch bessere Lagerhaltung) während des langen Winters über mehr Nahrungsmittel zu verfügen.

So spielt man:

Das Spiel besteht aus mehreren Runden, die sich während der drei (!)  Jahreszeiten (Sommer, Winter und Frühling) ereignen. Jeder Spieler besitzt zu Beginn ein Drachenschiff und eine Gruppe Besatzung sowie eine Einheit Nahrung, zwei Einheiten Eisen (jeweils durch entsprechende Token dargestellt) und drei Münzen.

Alles beginnt mit einer „Vikingfahrt“:

Eine Vikingfahrt kann nur im Sommer stattfinden. Das Spiel beginnt im Sommer, daher werden zunächst auf dem Festland die jeweils nach Spielerzahl festgelegte Anzahl unbefestigter Dörfer ausgelegt. Nun kann es losgehen!

Die angegriffenen Ortschaften sind leichte oder nicht so leichte Beute: Es gibt die unbefestigten Dörfer, aber auch schwer befestigte große Städte die sich mit Hilfe von Entsatz-Truppen in einer  zweiten Verteidigungswelle heftig ihrer Haut wehren. Das Dilemma: Einfache Ziele garantieren, dass man am Ende mit Beute, Mannschaft und einem intakten Schiff zurückkehrt, aber die kleinen Örtchen bieten natürlich nur weniges, das zu plündern lohnt. Bei befestigten Städten gibt es ordentlich einzusacken, es gibt Adelssöhnchen für die man saftige Lösegelder einstreichen kann, aber das Risiko ist dafür dann auch ganz erheblich. Eines steht jedoch fest: Wer auf ein sicheres Leben und gemütliche Mini-Überfälle auf Kleinbauern setzt, der hat am Ende selbst ein armseliges Dörfchen und nichts in den Taschen, über den werden keine Heldenlieder gesungen und die Tore Walhallas bleiben für immer zu. Man sollte also genau überlegen und vorausplanen, wenn man seine Ziele ansteuert.

Man wählt eines der ausgelegten Ziele, welches man überfallen und plündern will, sowie Schiff und  Mannschaft, welche man entsendet. Es kommt zum Kampf. Für eine erfolgreich geplünderte Ortschaft bekommt man die auf der Karte verzeichnete Beute: Gold, Ressourcen wie Nahrung, Holz oder Eisen, Lösegeld für Geiseln…

Das war’s,  der nächste Überfall eines anderen Spielers beginnt, bis alle ausgewählten Ziele angegriffen wurden. 

Das Kampfsystem:

Hat ein Schiff mehr als eine Mannschaft, muss man festlegen, welche zuerst angreift. Zwar werden die Angriffsboni zusammengerechnet, aber die Lebenspunkte addieren sich nicht. Alle Angriffsboni gelten im Kampf, aber nur die vordere Mannschaft erleidet Schaden. Verliert diese „Frontmannschaft“ alle Lebenspunkte und stirbt,  greift die verbleibende an, hat dann aber natürlich keine Boni mehr zu addieren. Das fühlt sich an, als habe man es wirklich mit Menschen zu tun, die in kleinen Gruppen als Teil eines Ganzen agieren, wenn auch nicht direkt mit einzelnen Individuen. Man erlebt dies deutlich anders, als wenn man „Mannschaft“ als eine einzige abstrakte Größe spielt.

Auch Städte haben Lebenspunkte und können sich schwach oder auch sehr gut gegen Angriffe wehren. Eine versuchte Plünderung kann also nicht nur erfolglos, sondern sogar vernichtend für die Angreifer enden! Was die räuberischen Seefahrer tun, wird hier als das dargestellt, was es war, mit allen Gefahren, Unwägbarkeiten und einem Ausgang, bei dem man möglicherweise eine unerwartet magere Beute mit dem Tod etlicher Männer bezahlt oder schlimmstenfalls sogar als Fischfutter endet.

Die gute Nachricht: Verliert die Mannschaft einmal alle Lebenspunkte, ist sie noch nicht tot, sondern gilt nur  als verletzt und es sinkt die Zahl der Lebenspunkte. Die schlechte Nachricht: Die verletzte Mannschaft ist nun natürlich schwächer. Wird sie erneut vernichtet, ist sie wirklich tot und wird aus dem Spiel entfernt. Stirbt auch die zweite Mannschaft und das Schiff ist ohne Besatzung, wird es aus dem Spiel entfernt. (Es bleibt an fremden Gestaden zurück und geht verloren.) Auch dies System trägt zum Realismus des Spiels bei.

Das sehr klare Kampfsystem ist einfach zu lernen und rasch auszuführen, der Erfolg wird durch kluge Auswahl der Ziele und die eigene Stärke des Angreifers beeinflusst, aber die Würfel tragen ein Element des Zufalls bei, das sehr gut die Unwägbarkeiten einer realen Vikingfahrt simuliert: Die Realität ist nicht völlig beherrschbar! Aber man kann durch gute Vorbereitung und kluge Entscheidungen die Wahrscheinlichkeiten zu eigenen Gunsten beeinflussen und dem Schlimmsten vorbeugen. Der Glücksfaktor sorgt für Spannung, aber man fühlt sich selbst bei Misserfolg nicht hilflos, denn das nächste Mal könnte einem das Glück ja lachen.

Auch hier gibt es eine gute Nachricht: Steht man einmal völlig ohne Schiffe und Besatzungen da, stellt das eigene Dorf dem Jarl  unverzüglich wieder ein Schiff samt Besatzung! Dieser Rettungsanker ist im eher seltenen Fall der Fälle nötig, damit alle Mitglieder der Spielrunde auch weiterhin Spaß miteinander haben, und darum geht es schließlich auch in einem gar nicht kooperativen Spiel. Wir finden diese einfache Lösung gut, weil es niemanden ausschließt und es kaum eine Unterbrechung im Spielfluss gibt.

Was im Winter und Frühling passiert:

Nach der Vikingfahrt besitzt man – hoffentlich – genügend Ressourcen um sich auf den nächsten Sommer vorzubereiten und sein Dorf weiterzuentwickeln.

Nahrungsmarker werden auf die Felder der Jahreszeiten gelegt. Diese können auch durch Münzen ersetzt, Nahrung sozusagen eingekauft werden. Nun geht es daran, mehr Leute anzuheuern, bestehende Mannschaften zu Veteranen auszubilden und auch eifrig zu bauen. Bauen ist sinnvoll, da die fertigen Gebäude, wie erwähnt, die o.g. Vorteile mit sich bringen. Auch ist es erstrebenswert, mehr Schiffe und Besatzungen zu haben: Die Ziele werden rasch schwieriger, denn die Gefahr von Überfällen von Wikingern in Langboten spricht sich herum. Man rüstet auf zur Verteidigung. Die Ortschaften können nun mit einem Bötchen und einer Handvoll Männer nicht mehr bezwungen werden.  

Der Eifer, den man in das eigene Dorf investiert, ähnelt der freudigen Aufregung, die man beim Kofferpacken für eine Weltreise verspüren würde. Das Dorf muss den Winter überstehen, die Fahrten des Sommers müssen gut vorbereitet werden, damit die Seemänner heil und mit Schätzen zurückkehren – was könnte wichtiger sein? Nichts, absolut nichts von dem, was hier passiert, wird ohne Folgen bleiben. Tatsächlich ist dies eine sehr rege und temporeiche Phase in VALHAL.

Wie man gewinnt – oder verliert:

Man gewinnt, indem man die meisten Siegpunkte erringt und mit ihnen als erste(r) auf der Anzeige der Gunst der Götter das offene Tor zu  Asgard erreicht. 

Das Spielerlebnis von innen betrachtet:

Wir haben Valhal bei den Spieleabenden der Dice & Mystics mehrfach und eingehend getestet: Zu uns kommen Leute, die einen schönen, entspannenden gleichzeitig anregenden Abend mit guten Brettspielen  verbringen wollen. Solche Gäste setzen sich nur an den Tisch, wenn das neue Spiel attraktiv aussieht und ein tolles abwechslungsreiches Spielerlebnis erwarten lässt. 

Den optischen Test besteht Valhal sofort: Kaum ist die Schachtel geöffnet, ist gleich Interesse da. Das Artwork gefällt unmittelbar, besonders einigen ausgesprochene Fans der Wikingerkultur, welche die große Sorgfalt der Gestaltung bewundern.  Sie genießen es sichtlich, dass die kühnen Seefahrer des Nordens, welche sie so faszinieren, hier nicht nur relativ beliebige Requisiten und  Versatzstücke sind. Während der folgenden Spielrunde kommt es immer wieder zu Kommentaren und Beobachtungen über die realen Nordmänner, ihre Charaktere und ihre Lebenswelt; das Spiel weckt Interesse und Verständnis.

An Spielern ist  kein Mangel. Der Aufbau dauert ein bisschen. Die Angabe des Verlags kommt aber ziemlich genau hin. Gut Ding will Weile haben. Geduldig und erwartungsvoll lernen wir gemeinsam die Regeln zu der beeindruckenden Menge an Komponenten. Was zunächst ein wenig kompliziert schein, geht dann insgesamt doch erheblich schneller als erwartet!  In der ersten Runde stehen die Regeln noch im Vordergrund, aber alles klappt problemlos und flüssig: Hinsetzen, losspielen, Spaß haben.

Die erste Viking-Fahrt lässt sich recht leicht bewältigen, obwohl kein Erfolg garantier ist. Alle in unserer ersten Testrunde machen Beute, alle Mannschaften kamen heil wieder heim. Die Jarls sind happy. Erste Bauprojekte beginnen im Winter. Schon bei der zweiten deutlich schwierigeren Vikingfahrt „sitzen“ die Regeln und auch das Kampfsystem muss nicht mehr erklärt werden.

Im nächsten Sommer aber es wird klar, dass die erste Fahrt mit den leicht einzunehmenden Dörfchen Tutorial-Charakter  hatte.  Das ist praktisch. Es fühlt sich natürlicher an, die steile Lernkurve gleich innerhalb des eigentlichen Spiels zu durchlaufen, statt eine vorbereitende Übungsrunde außerhalb absolvieren zu müssen. (Bei späteren Spielrunden genügte es, einen ganz neuen Mitspieler nur kurz über die „Sachlage“ zu instruieren, der Rest erfolgte parallel zum Spielverlauf durch kurze Erklärungen seitens der inzwischen gut eingespielten Jarls  und Learning by Doing. Das funktionierte tatsächlich super!)

Im weiteren Spielverlauf stellt sich heraus, dass es gar nicht so leicht ist, seine Gebäude rasch genug fertig zu stellen und ihre Vorteile zu nutzen, wenn man zuvor den weniger beutereichen aber dafür sicheren Weg geht. Zwei Erkenntnisse stellen sich ein. Erstens: Valhall belohnt das Risiko, nicht den sicheren Weg. Zweitens: Ein kleiner Fehler in der Planung zieht gnadenlos Konsequenzen nach sich. Das ergibt auch Sinn: Die Lebensverhältnisse in der Wikingerzeit ließen keine Fehler zu. Man muss also ganz schön geistesgegenwärtig sein. Plant man seine Beutezüge zu kurzsichtig oder legt man nicht genügend Vorräte für den Winter an oder erbeutet zu viel von den falschen Dingen, gibt es handfeste Probleme. Gewonnen oder nicht – alle haben Spaß und wollen das nächste Mal weiter spielen.

An den folgenden Spieletreffs mit denselben Teilnehmern haben alle erkannt, wie der Hase bzw. Rattatöskr läuft. Niemand greift  naiv und unbedacht die harmlosesten Dörfer an, die Bautätigkeiten, Ressourcen und Vorratshaltung werden vorausschauender und umsichtiger geplant, deutlich mehr Schiffe und Mannschaften gehen auf Fahrt, das Spiel wird ereignisreicher, schneller und noch flüssiger und wer dieses Mal siegen oder verlieren wird, bleibt lange offen. Am Ende jubelt alles neidlos dem Sieger zu, aber – man sieht es den Gesichtern an – es werden Entschlüsse gefasst, es nächstes Mal wieder anders und noch besser zu machen und selbst die Gunst der Götter zu gewinnen. So muss es sein!

Abschließendes Urteil:

Wäre nicht dieser kleine Geweihträger hier, hätten wir möglicher Weise dieses spannende Spiel erst etwas später gesehen, aber ein Blick um die Ecke, die kleinen Augen blitzten uns kess von schräg unten  entgegen – und es war sofort um uns geschehen! Wir waren eingefangen!

 Dieser Kleine ist der Götterbote der Asen, der aus der Höhe herab und den Stamm der Weltesche herunterhuscht und unseren verkaterten Wikingern die harsche Nachricht der verärgerten Chefetage überbringt. Für das Spiel selbst wird diese ungewöhnlich attraktive Figur nicht benötigt, aber auf ihn verzichten? Auf keinen Fall!

Der Götterbote, fein gestaltete Kunstharzfigur, und geschmackvolle Untersetzer aus Leder mit schön ausgeführten Ornamenten sind die Extras der Sonderausgabe. Aber auch ohne sie ist VALHAL ein ästhetisches Vergnügen.

VALHAL ist nicht nur etwas für’s Auge, es hat auch sonst Substanz. Es verbindet originelle, „organische“ Spiel-Mechaniken mit einer historisch korrekten und realistischen Darstellung  einer beliebten Thematik. Man merkt sehr deutlich, welch echte Leidenschaft und große Sorgfalt in die Erschaffung dieses Spiels investiert wurde. Man hat viele, viele Dinge zu tun und zu erleben und,  obwohl reihum gespielt wird, gibt es keine echte „Downtime“.  

Das von Nele Diehl so überzeugend dargestellte Wikinger-Thema ist nicht Illustration, es wird greifbar und lebendig. Das ist es, was  VALHAL so besonders macht. Auch die steile Lernkurve zu Anfang wird durch die logische und unmittelbar einleuchtende Herleitung der Regeln aus dem Thema selbst erleichtert.

Die vom Verlag angegebene Spieldauer ist ein realistischer Rahmen, wie sich nach mehrerer Spieleabenden zeigt.  Wir bleiben jedes Mal etwa im Mittel, was VALHAL zu einem interessanten  Spiel nicht nur für zuhause sondern auch für einen Game Club macht. Mehrere Spiele hintereinander, auch mit teilweisem Wechsel der Mitspieler, sind gut möglich.

VALHAL spricht verschiedene Spielertypen an, ist unterhaltsam, spielt sich jedes Mal anders und bietet ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis für ein gutes und ungewöhnliches Spiel mit guter Produktionsqualität. Durch seine Länge eignet es sich für erwachsene Gamer, die leichte Erlernbarkeit macht es aber auch etwas älteren Kindern gut zugänglich.                                

Kurz gesagt:

VALHAL hat rundum überzeugt:  VALHAL = Spaß am Spiel auf allen Ebenen! Was will man mehr? Wir sind froh, das Spiel, das jetzt unsere Sammlung bereichert, für uns entdeckt zu haben. „Das könnt ihr öfter mitbringen“, heißt es, und es kommen Fragen nach dem kommenden Kickstarter auf…

(Die Dice & Mystics danken dem Verlag Tetrahedon-Games für die kostenlos zur Verfügung gestellte Kopie ihres Spiels.)

Von: Martina Frohme; Dice & Mystics